Ruanda: „Wir wollen, dass unsere Stimmen gehört werden“
Anfang des Jahres reisten 63 Mädchen und Buben aus 16 Ländern zu einer Konferenz nach Ruanda. Alle verdienen durch unterschiedliche Arbeiten Geld, um ihre Familien zu unterstützen. Alle sind Mitglieder eines der vielen Kinderkomitees der Kindernothilfe/terre des hommes-Initiative "Dialogue Works". Alle kennen ihre Rechte und fordern zu Recht, dass sie gehört werden!
Die erste Reise ihres Lebens
Fünf Tage zuvor, es ist Montagmorgen. Der große Konferenzsaal füllt sich zügig. Die jungen Leute sind aufgedreht. Für viele von ihnen ist es das erste Mal, dass sie von zu Hause weg sind, das erste Mal in einem anderen Land. Das Global Gathering ist für sie alle der Höhepunkt der bisherigen Dialogue Works Kampagne von der Kindernothilfe und terre des hommes. In einer Ecke des Raums spielt eine bunt zusammengewürfelte Truppe Fußball, in der anderen tanzen Mädchen und Buben zu fernöstlichen Klängen, und vorne an der Bühne gibt es enttäuschte Gesichter – die Koffer einiger Kinder sind auf dem Flug verschollen und noch nicht wieder aufgetaucht. Ein Techniker legt noch Kabel zu den sechs Dolmetscherkabinen.
Auch Looniva ist hoch motiviert und merklich elektrifiziert von der Atmosphäre. „Wir alle sind hier, um etwas zu verändern. Es ist wichtig, dass die Erwachsenen unser Leben verstehen. Nur so können wir nachhaltig unsere Situation verbessern“, erzählt sie mit strahlenden Augen, bevor sie eilig zu ihrem ersten Workshop aufbricht. So wuselig es in den Pausen ist, so konzentriert ist die Arbeitsatmosphäre in den Workshops. Es mag im ersten Moment überraschen, aber es wird nicht nur über Kinderarbeit diskutiert. Fragen der Inklusion, Diversity (Vielfalt), mentale Gesundheit und der Klimaschutz sind weitere wichtige Themen. „Ich muss immer weitere Wege laufen, um Wasser zu holen. Dadurch verpasse ich die Schule“, schildert ein Jugendlicher aus Kenia. Die anderen Workshop-Teilnehmenden hören zu, geben Rat, erklären die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels auf ihren Alltag.
Die „Kigali-Declaration"
Später findet ein Workshop im Hotelflur nebenan statt. Es ist ganz still, alle liegen auf dem Boden, als würden sie schlafen, bis ein Jugendlicher aufsteht und pantomimisch seinen Arbeitsalltag auf dem Zuckerrübenfeld darstellt. Auch Looniva ist hier dabei. „Wir haben keine Lust mehr, für die Politiker zu singen und zu tanzen und uns anschließend nur leere Worte anhören zu müssen. Wir wollen, dass unsere Stimmen gehört werden“, flüstert sie, um den Theaterworkshop nicht zu stören. „Ich lerne hier neue kreative Ausdrucksformen, die ich zu Hause mit meinem Komitee teilen kann.“
Die Tage fliegen nur so ins Land, immer wieder arbeiten die Mädchen und Buben an einem Statement, das am Ende der Konferenz hochrangigen Regierungsvertretenden präsentiert werden soll. Hier wird um jedes Wort gerungen, damit alle mit ihren Belangen in dem Papier vertreten sind. Die Zeit ist knapp, von Stress ist aber nichts zu spüren. Konzentriert und effizient handeln sie einen Punkt nach dem anderen ab. Politikmaßnahmen sollen realitätsnäher werden. Armutsbekämpfung sowie die Schaffung menschenwürdiger Arbeit für ihre Eltern und ein gesicherter Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung gehören zu den Forderungen. Gleichzeitig wollen sie aber auch angemessenen Arbeitsformen parallel zum Schulbesuch weiter nachgehen dürfen, um ihre Familien zu unterstützen. Am Ende steht die „Kigali Declaration“. Jetzt heißt es, sich auf die Paneldiskussion mit den Entscheidungstragenden vorzubereiten, bevor es am Abend noch ein ganz besonderes Fest geben soll.
Diese Kinder sind etwas Besonderes
Von Martin Bondzio und Laura Goldschmitt (Kindernothilfe)