Kindernothilfe Österreich. Kindern Zukunft schenken.

Das Netz ist voller Gefahren für Kinder

Im vergangenen Jahr ist die Digitalisierung stark vorangeschritten – auch mit negativen Konsequenzen. Gerade Mädchen und Buben sind im Internet zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Missbrauchsdarstellungen und sexualisierte Ausbeutung sind dabei die furchtbarsten Gewaltformen, die Kinder widerfahren. Besonders abscheulich sind Live-Übertragungen von sexualisierter Gewalt, die weltweit empfangen werden können und dadurch die Strafverfolgung erschweren. Aber gerade diese haben ein alarmierendes Ausmaß angenommen.
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Bub mit Handy (Foto: Jakob StudnaR9
In unseren Partnerländern sind Kinder ebenfalls zunehmend Gefahren online ausgesetzt. (Quelle: Jakob Studnar)
Bub mit Handy (Foto: Jakob StudnaR9
In unseren Partnerländern sind Kinder ebenfalls zunehmend Gefahren online ausgesetzt. (Quelle: Jakob Studnar)
Das alltägliche Leben hat sich durch die Pandemie und ihre Folgen – Lockdowns, Schulschließungen und Reisebeschränkungen – weltweit stark verändert. Viele Lebensbereiche verlagern sich ins Internet. Nicht nur Erwachsene verbringen viel Zeit im Homeoffice, auch Kinder werden oft von Zuhause aus unterrichtet und sitzen deshalb vor den Bildschirmen. In ihrer Freizeit nutzen sie zusätzlich immer öfter soziale Medien und Online-Videospiele. Dabei sind die Kinder oftmals unbeaufsichtigt. Zudem sinkt das Alter von Kindern, die in die Online-Welt einsteigen.

Verlagerung vieler Lebensbereiche ins Internet


Die Digitalisierung bringt jedoch nicht nur Vorteile mit sich, sondern birgt auch Gefahren, vor allem für Kinder. Denn auch kriminelle Aktivitäten verlagern sich ins Netz und das weltweite Phänomen der sogenannte Cyber-Kriminalität hat im vergangenen Jahr dramatisch zugenommen. Das Internet entwickelt sich immer mehr zum Schauplatz von Gewalt und immer öfter wird es für missbräuchliche Zwecke genutzt.


Online-Gewalt: Reale Gefahr für Kinder im digitalen Raum


Die Online-Gewalt, die Kinder erfahren, hat viele Formen: Zum einen die Gewalt unter den Kindern und Jugendlichen selbst (Cyber-Mobbing), zum anderen die Anbahnung sexueller Ausbeutung durch Erwachsene, die in sozialen Medien Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufnehmen (das sogenannte Grooming). Hinzu kommt die alarmierend steigende Zahl von Missbrauchsdarstellungen im Internet sowie die sexualisierte Gewalt an Kindern, die per Live-Stream übermittelt wird.

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Computerklasse (Foto: Jakob Studnar)
Die Digitalisierung birgt auch Gefahren – vor allem für Kinder. (Quelle: Jakob Studnar)
Computerklasse (Foto: Jakob Studnar)
Die Digitalisierung birgt auch Gefahren – vor allem für Kinder. (Quelle: Jakob Studnar)
Sexualisierte Gewalt im Internet beginnt oft scheinbar harmlos. Erwachsene geben sich zum Beispiel als Kinder aus, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Sie bauen allmählich Vertrauen zu diesen Kindern auf mit dem alleinigen Ziel, ihnen sexualisierte Gewalt anzutun. Den Kontakt stellen sie über Chat-Funktionen von Online-Spielen oder soziale Medien her. Dieses Vorgehen wird als Grooming bezeichnet. Ein sehr ernstzunehmendes Problem ist auch die Darstellung sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Internet, oft unzutreffend als Kinderpornografie bezeichnet. Diese Darstellungen waren schon vor der Pandemie sehr zahlreich und haben sich seitdem nochmals vervielfacht.

Behörden und Netzwerke melden steigende Zahlen


Verdächtiges Material aus der ganzen Welt sammelt unter anderem das halb-staatliche Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (National Center for Missing and Exploited Children – NCMEC) in den USA. Nach einer Prüfung leitet es die Medien für eine Strafverfolgung an die zuständigen Stellen weiter. Für die Jahre 2020/21 registrierte NCMEC eine Steigerung der eingehenden Verdachtsmeldungen um 31 Prozent.

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Computerkurs (Foto: Lorenz Töpperwien)
Sexualisierte Gewalt im Internet beginnt oft scheinbar harmlos. (Quelle: Lorenz Töpperwien)
Computerkurs (Foto: Lorenz Töpperwien)
Sexualisierte Gewalt im Internet beginnt oft scheinbar harmlos. (Quelle: Lorenz Töpperwien)
Konkret erhöhte sich die Anzahl der Reporte von 16 Mio. Meldungen im Jahr 2020 auf 21 Mio. 2021. Ein Großteil der Meldungen stammt von Facebook. Das verdeutlicht, dass sexualisierter Online-Gewalt gegen Kinder nicht nur im sogenannten Dark Web stattfindet, sondern auch und vor allem im größten sozialen Netzwerk der Welt. Das FBI schätzt, dass weltweit täglich rund 750.000 potenzielle Sexualstraftäter auf der Suche nach Kindern im Internet sind.

Gefahren für Kinder im Internet weltweit


In unseren Partnerländern sind Kinder ebenfalls zunehmend Gefahren im Internet ausgesetzt. Die Nutzung des Internets nimmt in den Ländern des globalen Südens rasant zu. Von den rund 4,13 Milliarden Internetnutzer*innen weltweit lebt der größte Anteil in Asien (49%). Südostasien ist eine der internetaffinsten Regionen der Welt, wobei die Philippinen mit durchschnittlich 10 Stunden Bildschirmzeit pro Tag die globale Liste anführen. Afrika hingegen verzeichnet mit jährlich 20 % Wachstum an Internetnutzer*innen die stärksten Wachstumsraten. Allerdings ist das gesellschaftliche Bewusstsein für die Gefahren im Internet oftmals nicht gegeben und es fehlt dabei an geeigneten Rahmenbedingungen für den Kinderschutz. Regulierende Gesetze sind entweder nicht verabschiedet oder werden nur unzureichend implementiert.

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Mädchen in Kenia (Foto: Lars Heidrich)
Die Kindernothilfe ermöglicht Kinderschutz-Schulungen. (Quelle: Lars Heidrich)
Mädchen in Kenia (Foto: Lars Heidrich)
Die Kindernothilfe ermöglicht Kinderschutz-Schulungen. (Quelle: Lars Heidrich)
Sensibilisierung für die Gefahren im Internet als Teil von Schulunterricht – ein Projekt der Stairway Foundation auf den Phillipinen


Zahlreiche unserer Partnerorganisationen setzen sich für den Schutz von Kindern im Internet ein. Eine herausragende Partnerorganisation ist dabei die Stairways Foundation. Ein gemeinsames Projekt mit der Stairway Foundation zielt darauf, Kinder und Jugendliche präventiv für die Gefahren des Internets zu sensibilisieren. Dabei werden Schulen und andere Bildungseinrichtungen eingeschlossen. Hierzu hat Stairway Foundation ein entsprechendes Modul für den Schulunterreicht entwickelt –in Abstimmung mit dem Bildungsministerium. Ziel ist es, dieses Modul, dass Schüler:innen für die Gefahren im Internet sensibilisiert, fest im Unterricht zu verankern. Den coronabedingten Schulschließungen zur Folge hat Stairways das entsprechende Modul adaptiert, sodass es nun auch für den Fernunterricht genutzt werden kann.
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Online Unterricht in Peru (Foto: Kindernothilfepartner)
Die Nutzung des Internets nimmt in den Ländern des globalen Südens rasant zu. (Quelle: Kindernothilfe-Partner)
Online Unterricht in Peru (Foto: Kindernothilfepartner)
Die Nutzung des Internets nimmt in den Ländern des globalen Südens rasant zu. (Quelle: Kindernothilfe-Partner)
Darüber hinaus werden im Rahmen des Projektes Pflichtenträger*innen in die Lage versetzt, Verdachtsfälle von Missbrauch schneller zu erkennen und kompetent darauf zu reagieren. Es bestärkt Lokalpolitiker*innen darin, den Schutz von Kindern durch gesetzliche Bestimmungen auf lokaler Ebene sicherzustellen.

Stairways hat vor einigen Jahren auch das regionale Netzwerk „Break the Silence“ gegründet, das mittlerweile 45 Organisationen zählt. Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder beendet wird. Einige Partner von uns auf den Philippinen sind ebenfalls Teil dieses Netzwerks.

Eine effektivere Strafverfolgung fördern – die Arbeit von ECPAT Thailand


Unser Partner, ECPAT Foundation in Thailand, setzt sich ebenfalls dafür ein, sexuelle Gewalt an Kindern zu verhindern. Er arbeitet eng mit Behörden zusammen, um die gesetzlichen Grundlagen und die Strafverfolgung zu verbessern.  ECPAT schulte beispielsweise Strafverfolgungsbeamte, darunter Polizist*innen, Anwält*innen und Forensiker*innen, wie sie ordnungsgemäß bei Straftaten im Bereich der sexuellen Ausbeutung und der Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Internet ermitteln. Sie übten mithilfe digitaler oder Computerforensik die Täter*innen und die Internetseiten, auf die Täter*innen zugreifen, zu identifizieren. Auf dem Programm stand ebenfalls, gelöschte und versteckte Dateien aufzuspüren und den Täter*innen somit besser auf die Spur zu kommen.


Auch mit dem Justizministerium arbeitete unser Projektpartner eng zusammen. So wurden mit weiteren Partnern gemeinsame Strategien für die Verwaltung und Behandlung spezifischer Missbrauchsfälle zwischen den verschiedenen thailändischen Strafverfolgungsbehörden entwickelt. Mithilfe von ECPAT entwickelte das Ministerium für Kinder und Jugendliche einen nationalen Strategieplan für den Online-Kinderschutz. Dadurch soll Missbrauch und die Ausbeutung von Kindern im Internet besser überwacht und bekämpft werden können.

Schulungen unserer Partnerorganisationen für einen besseren Schutz von Kindern im Internet


Als Kindernothilfe wollen wir unseren Partnern in ihrer Arbeit stärken. Unter anderem bieten wir ihnen und anderen interessierten Organisationen deshalb Weiterbildungen an. Einen Schwerpunkt bildet dabei das Thema Kinderschutz. In unser Portfolio haben wir auch den Schutz von Kindern im Internet aufgenommen. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben wir im Rahmen unserer Schulungen ein Modul zu Online-Sicherheit entwickelt und führen es derzeit mit vielen unserer Partnerorganisationen durch. Zudem unterstützen wir sie dabei, sich auf politischer Ebene – lokal, national oder international – für bessere Rahmenbedingungen stark zu machen.


* ECPAT steht für End Child Prostitution, Child Pornography & Trafficking of Children for Sexual Purposes. In Zusammenarbeit mit staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen engagiert sich die Arbeitsgemeinschaft in verschiedenen Kampagnen und Projekten zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Entwicklung von Präventivmaßnahmen und der Schaffung von rechtlichen Grundlagen zum Schutz der Kinder.

Autor: Dr. Magdalene Pac, Kindernothilfe
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