Kindernothilfe Österreich. Kindern Zukunft schenken.

Ein Leben ohne Barrieren

Behinderung ist viel weiter verbreitet als gemeinhin angenommen. Weltweit gibt es mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderung, nach Schätzungen der WHO leben 80 % von ihnen in Entwicklungsländern. 240 Millionen von ihnen sind Kinder (UNICEF). Laut Statistiken der Vereinten Nationen lebt eine große Mehrheit dieser Gruppe, circa 80 Prozent, unterhalb der Armutsgrenze. 120 Millionen Kinder mit Behinderung gehen nicht zur Schule. Nach Angaben der WHO erhalten circa 95 Prozent der behinderten Kinder in Entwicklungsländern erhalten keine Rehabilitation. Zusätzlich sehen sich diese Mädchen und Buben Diskriminierung, Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt. Immer noch gilt Behinderung in vielen Ländern des Südens als Strafe Gottes. Oft gibt es nur wenige Perspektiven für sie: Entweder werden sie von ihren Familien zum Betteln auf die Straße gesetzt, in Heimen untergebracht oder in den Häusern versteckt.

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Mädchen In Indien (Foto: Kindernothilfepartner)
Mädchen In Indien (Foto: Kindernothilfepartner)

Armut bedingt Behinderung und Behinderung führt zu Armut – so haben auch ein Drittel aller Straßenkinder eine Behinderung. Die weltweite Armutsbekämpfung kann daher nur wirksam sein, wenn Menschen mit Behinderung mitberücksichtigt werden. Es gibt kaum ein Entwicklungsprojekt, das die Belange von Menschen mit Behinderung nicht betrifft – ob Projekte zu Bildung, Gesundheit, Stadtentwicklung oder Beschäftigung. Hier gilt: Menschen mit Behinderungen haben die gleichen Grundbedürfnisse wie alle anderen Mitglieder der Gesellschaft auch. Daher benötigen die meisten keine besonderen Entwicklungsprogramme. Achtzig Prozent der Menschen mit Behinderung können am sozialen Leben teilhaben, ohne zusätzliche, spezifische Unterstützung oder mit Hilfe von kostengünstigen, einfachen und gemeindenahen Interventionen, die keine Kenntnisse in Rehabilitation erfordern.

Zugleich haben Menschen mit Behinderung ein Recht darauf, wie alle anderen an der Gesellschaft teilzuhaben. Dazu muss die Gesellschaft umgebungsbedingte, institutionelle und soziale Barrieren abbauen.

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Kind im Rollstuhl (Foto: Manfred Fesl)
Kind im Rollstuhl (Foto: Manfred Fesl)

Wissenswertes zu Inklusiver Entwicklungsarbeit:

Behinderung und Armut – ein Teufelskreis

Armut und Behinderung sind in Entwicklungsländern sehr stark miteinander verflochten. Unter den menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Armut entstehen Beeinträchtigungen, die vermeidbar wären. Gleichzeitig haben es Menschen mit einer Beeinträchtigung ungleich schwerer, der Armutssituation zu entfliehen. Warum ist dies so?

1. Behinderung verstärkt Armut

  •  Menschen mit Behinderung haben kaum Zugang zu angemessener Bildung und beruflicher Ausbildung. Ohne geregeltes Einkommen droht Armut
  • Das Fehlen von Rehabilitation und Unterstützungsmöglichkeiten erschwert eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft und ein selbstbestimmtes Leben
  • Nahrung, Wasserstellen und sanitäre Anlagen sind für Menschen mit Behinderung oft nicht zugänglich
  • Physische Barrieren wie unzugängliche Gebäude, fehlende Kommunikationsmöglichkeiten sowie diskriminierendes Verhalten erschweren ihre Teilhabe in vielen Bereichen
  • In Konfliktsituationen oder bei Naturkatastrophen sind sie häufig besonders stark betroffen

2. Armut verstärkt Behinderung
Andererseits kann Armut die Auswirkungen einer Behinderung verstärken oder sogar Behinderung hervorrufen. Nach Schätzungen der WHO könnten 50% der Beeinträchtigungen, die zu Behinderungen führen, vermieden werden und sind eine unmittelbare Folge von Armut. Zu Behinderung führen können:

  • Mangelernährung und unzureichende Gesundheitsvorsorge
  • ein erhöhtes Erkrankungs- und Verletzungsrisiko (z.B. durch unsauberes Wasser und durch offene Feuerstellen) und mangelnder Zugang zu medizinischen ode
  • rehabilitativen Behandlungen, mit der Folge, dass leichte Behinderungen sich gravierender auswirken
  • gefährliche und gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen
  • Überbleibsel bewaffneter Konflikte wie Mienen oder Blindgänger

Inklusive Entwicklung als Grundlage der Armutsbekämpfung

Inklusive Entwicklung bedeutet, Entwicklungszusammenarbeit so zu gestalten, dass sie sich an alle Mitglieder einer Gemeinschaft richtet. Das bedeutet, auch benachteiligte Gruppen am Entwicklungsprozess zu beteiligen. Kinder sind besonders verletzlich und benötigen entsprechende Unterstützung, Schutz und Förderung. Einerseits werden sie als Kinder von der Gesellschaft nicht als vollwertige Mitglieder angesehen und ihre Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Zugleich ist ihre körperliche und seelische Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Daher sind sie besonders anfällig für Faktoren, die zu einer Behinderung führen können. Frühversorgung und pränatale Gesundheitsfürsorge tragen dazu bei, dass Kinder gar nicht erst eine Beeinträchtigung erleiden. Jod kann in der Schwangerschaft Hirnschädigungen des Kindes im Mutterleib vorbeugen. Daher gilt: Je früher die Intervention erfolgt, desto geringer sind auch die gesellschaftlichen Folgen von Behinderung.

Zur Gestaltung von inklusiven Entwicklungsprozessen hat sich ein zweigleisiger Ansatz bewährt, der einerseits die Belange von Kindern mit Behinderung in allgemeinen Projekten und Programmen berücksichtigt und andererseits speziell Menschen mit Behinderung adressiert. Ziel ist es, die Auswirkungen einer Behinderung zu mindern oder aufzuheben und die Ursachen von Behinderung zu beseitigen. Durch gezielte Maßnahme sollen Menschen mit Behinderung ermutigt und befähigt werden, ihre Geschicke und die ihrer Kinder in die eigenen Hände zu nehmen und ihre Interessen selbst zu vertreten. Dazu gehört auch, Aufklärungsarbeit zu leisten - mit dem Ziel einer inklusiven Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung gleiche Rechte erhalten und an allen gesellschaftlichen Prozessen teilhaben.

 

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Am 13. Dezember 2006 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen eine neue Konvention und ein Zusatzprotokoll mit einem Individualbeschwerde-Verfahren an - die "UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen". Sie trat am 3. Mai 2008 in Kraft. Inzwischen haben 184 Staaten (Stand 27.04.2022) ratifiziert, die sich damit verpflichten, die Inhalte der Konvention in nationales Recht umzuwandeln. Das Zusatzprotokoll wurde von 100 Staaten ratifiziert (Stand 27.04.2022).

Die Konvention präzisiert und ergänzt bereits bestehende menschenrechtliche Standards unter dem besonderen Blickwinkel der Menschen mit Behinderung. Die Konvention fordert von Staat und Gesellschaft die freiheitliche und soziale Inklusion von Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderungen haben einen Rechtsanspruch auf Teilhabe an Entwicklungsvorhaben (Artikel 32).

Die neue Konvention bezieht sich auch auf Kinder mit Behinderungen, u.a. in Artikel 7.
(1) Die Vertragsstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können.
(2) Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.
(3) Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen das Recht haben, ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten gleichberechtigt mit anderen Kindern frei zu äußern, wobei ihre Meinung angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt wird, und Behinderungsgerechte sowie altersgemäße Hilfe zu erhalten, damit sie dieses Recht verwirklichen können. 

Mädchen mit Rollwagen (Foto: Kindernothilfepartner)
Mädchen mit Rollwagen (Foto: Kindernothilfepartner)

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